Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten / Vermögensverkehrsstelle

Die VermögensverkehrsstelleDie im Mai 1938 eingerichtete Vermögensverkehrsstelle (VVSt) sollte die kontrollierte und legale "Entjudung" der österreichischen Wirtschaft in die Wege leiten und weitere "wilde" Arisierungen vereiteln (vgl. GBlÖ Nr. 139/1938). Die VVSt war eine der zentralen Institutionen zur Durchführung des systematischen Vermögensentzugs im NS-System. Arisierungen durften ab Mai 1938 nur mehr mit ihrer Genehmigung durchgeführt werden. Ihr Leiter war der Staatskommissar in der Privatwirtschaft Walter Rafelsberger. (vgl. GBlÖ Nr. 139/1938), eine der zentralen Arisierungs- und Vermögensentziehungsbehörden, die Zweigstellen in der Steiermark, in Niederösterreich und in Tirol unterhielt, enthält hauptsächlich Akten zur VermögensanmeldungJuden im Sinne der Nürnberger (Rasse-)Gesetze wurden durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938 (vgl. RGBl I 1938, S. 414) verpflichtet, ihr Vermögen – sofern es einen Wert von RM 5.000 überstieg – vor den NS-Behörden durch die Abgabe einer Vermögensanmeldung offenzulegen. Die Vermögensanmeldungen (VA) bilden eine der wichtigsten Grundlagen für den Vermögensentzug durch das NS-System und sind daher auch heute eine zentrale Quelle für Recherchen in diesem Bereich., zu ArisierungenArisierung ist jede Art des Entzugs von Vermögen von Personen, die im Sinne der Nürnberger (Rasse-)Gesetze als Juden galten. Arisierungen verliefen sowohl in (auch den NS-Gesetzen zuwider laufender) "wilder" als auch in (den NS-Gesetzen entsprechender) pseudo-legaler Form. und Liquidationen (Abwicklungen). Das FindbuchEin Findbehelf oder Findmittel ermöglicht auf unterschiedlichste Weise (über Namen, Themen, topografische Begriffe usw.) die gezielte Suche von Materialien innerhalb eines Archivbestands. 06/3 listet die Bestände auf Ebene der Kartons auf. Zusätzlich gibt es zu einzelnen Teilen des Bestands auch zeitgenössische Findbehelfe.
Hier ein grober Ãœberblick (mit Hinweisen auf bestimmte Materien):
Kt. 1–183 VermögensanmeldungenJuden im Sinne der Nürnberger (Rasse-)Gesetze wurden durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938 (vgl. RGBl I 1938, S. 414) verpflichtet, ihr Vermögen – sofern es einen Wert von RM 5.000 überstieg – vor den NS-Behörden durch die Abgabe einer Vermögensanmeldung offenzulegen. Die Vermögensanmeldungen (VA) bilden eine der wichtigsten Grundlagen für den Vermögensentzug durch das NS-System und sind daher auch heute eine zentrale Quelle für Recherchen in diesem Bereich. (als eigener Bestand verzeichnet, siehe unter "Vermögensverkehrsstelle, Vermögensanmeldungen"). Achtung: Die Kartonnummern entsprechen nicht mehr der aktuellen Zählung, die Akten wurden umgeschachtelt.
Kt. 184–241 Gewerbe: Arisierungsakten (Namen online recherchierbar unter: https://http://www.findbuch.at)
Kt. 242–243 Gewerbe allgemein
Kt. 244–330 Handel: Arisierungsakten (Namen online recherchierbar unter: https://http://www.findbuch.at)
Kt. 331–363 Industrie: Arisierungsakten (durch eine Kartei erschlossen, hier ist eine im Zuge der Arbeiten der Österreichischen Historikerkommission erstellte provisorische elektronische Fassung in Form einer Excel-Tabelle vorhanden)
Kt. 364–560 LiegenschaftenEine Liegenschaft kann aus mehreren Grundstücken bestehen, sie kann bebaut oder unbebaut sein, sie ist im Grundbuch unter einer Einlagezahl verzeichnet.: Arisierungsakten
Kt. 561–743 Statistik: Arisierungsakten (Die Herkunft der Bezeichnung "Statistik" ist unbekannt, hier finden sich viele Akten, die ursprünglich in den Abteilungen VVSt-Industrie, VVSt-Gewerbe, VVSt-Handel entstanden und entsprechenden jeweiligen Aktenzahlen enthielten, letztendlich jedoch unter der Signatur VVSt-Stat[istik] abgelegt wurden.)
Kt. 744–767 Verkehr: Arisierungsakten
Kt. 768–770 Wirtschaftsschutz (Ansuchen/Anfragen zwecks Erwerb jüdischer Firmen in Österreich aus dem sogenannten AltreichAltreich war die Bezeichnung für die Gebiete des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937., d.h. von außerhalb der OstmarkIm NS-Sprachgebrauch wurde die Bezeichnung "Österreich" bereits 1938 durch den Begriff "Ostmark" ersetzt. Mit der Verabschiedung des Ostmarkgesetzes (vgl. RGBl I 1939, S. 777ff) im April 1939 wurde dieser Begriff amtlich. Er wurde 1942 aber wieder abgeschafft und durch die Sammelbezeichnung "Donau- und Alpenreichsgaue" ersetzt. Mit dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich am 13.3.1938 wurde Österreich als "Land Österreich" zu einem Verwaltungssprengel des Deutschen Reichs und letztlich zu einer sich in Liquidation befindlichen Verwaltungseinheit. Die Liquidation war mit Ende März 1940 abgeschlossen. Ab 1.4.1940 gab es nur mehr die aus den ehemaligen Bundesländern hervorgegangenen Reichsgaue. )
Kt. 771–807 Abwickler (chronologisch geordneter Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von Firmen; Abwickler waren Liquidatoren bzw. Treuhänder, die die Aufgabe hatten, die Forderungen der von ihnen verwalteten Firmen und Vermögenskomplexe hereinzubringen und die Außenstände abzudecken.)
Kt. 808–809 Kommissare
Kt. 815–904 Kommissare und Treuhänder (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen)
Kt. 905–918 Rechtsakten (Hier finden sich Dokumente zu rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den Vermögensentziehungen – etwa in Bezug auf Patentrechte, Verkaufs- und Ausfuhrgenehmigungen, Gewerbeberechtigungen, Vermögensanmeldungen, Vertretungsansprüche und AriseureEin Ariseur ist eine Person, die sich im Zuge einer Arisierung bereicherte., vor allem in den Kartons 912 und 913 geht es um Entlassungen von Arbeitern und Arbeiterinnen sowie Angestellten in der Privatwirtschaft in den Jahren 1938 und 1939. Die Akten sind nicht standardisiert und enthalten heterogene Informationen.)
Kt. 919–980 Abwickler Lac.[onia]-Käs Allgemein (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen – Laconia war eine der größeren Revisions- und Treuhandgesellschaften, die sowohl Buchprüfungen als auch treuhändische Verwaltungen und Liquidationen vornahm.)
Kt. 981–1.193 Abwickler für Lac.[onia]-Käs (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen – alphabetisch geordnet nach den Familiennamen jener Abwickler, die von der Fa. Laconia eingesetzt wurden. Die Familiennamen der Abwickler sind im Findbuch 06/3 aufgeführt.)
Kt. 1.194–1.273 Abwickler Donau (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen – alphabetisch geordnet nach den Familiennamen jener Abwickler, die von der Fa. Donau eingesetzt wurden. Die Familiennamen der Abwickler sind im Findbuch 06/3 aufgeführt.)
Kt. 1.274–1.280 Abwickler Donau, Wr. Neustadt (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, Raum Wiener Neustadt, Niederösterreich)
Kt. 1.281–1.364 Revisionsabwickler (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen, hier ist die Arbeit der Revisoren der abgeschlossenen Abwicklungen bzw. Liquidationen dokumentiert.)
Kt. 1.365–1.384 Anhang an die Vermögensverkehrsstelle (Bestand zur Verwertung jüdischen Vermögens, vor allem von in Zwangsliquidation befindlichen Firmen – hier finden sich im Findbuch zu den Kartons einige Stichworte, die auf Abwickler, aber auch auf abgewickelte Firmen bzw. Vermögenschaften und allgemeine Stichworte hinweisen, z.B. Kt. 1.365 "1. Abw. G. Dukes; 2. Entjudung", Kt. 1.370 "1. Abwicklungs-Schlußberichte; 2. Stift Klosterneuburg"; Kt. 1.374–1.376 enthalten Korrespondenzen der VVStVermögensverkehrsstelle, Kt. 1.377 enthält einen Bericht zur Überprüfung der VVSt, Kt. 1.379–1.384 enthalten Material zum Personal der VVSt.)
Kt. 1.385–1.388: E-Wirtschaft
Kt. 1.389–1.396: Export (Material zu der als besonders bedeutsam eingestuften Exportwirtschaft, bzw. zu Arisierungen in diesem Bereich)
Kt. 1.397–1.400: Verkehr (Material zur Verkehrswirtschaft)
Kt. 1.401–1.404: Grüngasse (Hier findet sich Material zu einer großen Möbelverwertungsaktion: Möbel aus den Wohnungen vertriebener oder deportierter Juden, die noch nicht verwertet worden waren, wurden hier in einem Depot gesammelt und verwertet.)
Kt. 1.405–1.408: Korrespondenzen der VVSt
Kt. 1.409–1.412: Hausverwalter
Kt. 1.413–1.562: Diverse Materialien zu bestimmten Firmen (im Findbuch teilweise namentlich angeführt, darunter Kt. 1.543–1.547 zur Spediteurvereinigung)
Kt. 1.563–1.571: KontrollbankDie Österreichische Kontrollbank für Industrie und Handel war ab Sommer 1938 unter der Leitung von Walther Kastner die zentrale Einrichtung zur Arisierung von Großbetrieben. Die Arisierung kleinerer Unternehmen führte die Vermögensverkehrsstelle durch. (Hier finden sich die meisten Verträge, die die Kontrollbank im Zuge jener Arisierungen, die sie durchgeführt hat, abgeschlossen hatte, teilweise auch handschriftliche Konzepte zu den Vertragskonzeptionen. Der Bestand enthält auch Reste der Kontrollbank-Buchhaltung, in der die Auszahlungen an verfolgte Juden dokumentiert wurden, d.h. an Einzelpersonen, deren Vermögen die Kontrollbank im Zuge diverser Arisierungsvorgänge verwaltete, solange sie noch in Wien lebten.)
Kt. 1.572–1.573: Meldungen nach 1945 (Diese beiden Kartons enthalten Meldungen der SammelstellenDurch das Auffangorganisationsgesetz (vgl. BGBl Nr. 73/1957) wurden 1957 zwei Sammelstellen eingerichtet: Die Sammelstelle A diente der Einbringung von Rückstellungsanträgen für erbloses Vermögen jüdischer Personen. Die Sammelstelle B diente der Einbringung von Rückstellungsanträgen für erbloses Vermögen nicht-jüdischer Personen. Die Sammelstellen waren auch für die Verwertung des erblosen Vermögens zuständig. Zur Durchführung ihrer Tätigkeiten stellten sie selbsttätig umfangreiche Recherchen an, dieses Material ist bis heute erhalten. (vgl. BGBl Nr. 73/1957 und Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten / Hilfsfonds [Hilfsfonds]), d.h. Kurzberichte zu einzelnen Arisierungsfällen, in denen es zu keinen RückstellungenAls Rückstellung ist im strengen Wortsinn der österreichischen Gesetze die Zurückgabe von zwischen 1938 und 1945 entzogenen Vermögenswerten zu verstehen. (Rückstellungsgesetze) gekommen war. Diese Meldungen wurden im Zuge der Arbeiten der Österreichischen Historikerkommission in einer Excel-Datei erfasst.)
Kt. 1.574–1.586: Diverse Materien (darunter Kt. 1.576 "Sprengel des OLGOberlandesgericht Graz nach 1945, ungeordnet" und in Kt. 1.579–1.580 "Bericht an Herrn Staatssekretär 1955–1966")

Literatur:
Gertraud Fuchs: Die Vermögensverkehrsstelle als Arisierungsbehörde jüdischer Betriebe
Alexander Mejstrik/Therese Garstenauer/Peter Melichar/Alexander Prenninger/Christa Putz/Sigrid Wadauer: Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit. Vom österreichischen Berufsleben 1934 zum völkischen Schaffen 1938-1940, S. 535–540, S. 555–563
Ulrike Felber/Peter Melichar/Markus Priller/Berthold Unfried/Fritz Weber: Ökonomie der Arisierung. Teil 1: Grundzüge, Akteure und Institutionen. Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960 1
Ulrike Felber/Peter Melichar/Markus Priller/Berthold Unfried/Fritz Weber: Ökonomie der Arisierung. Teil 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen. Zwangsverkauf, Liquidierung und Restitution von Unternehmen in Österreich 1938 bis 1960 2 (zur Grüngasse)
(die drei letzten Titel online zugänglich unter: https://http://hiko.univie.ac.at).

http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=5783

Standort:Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA) / Archiv der Republik (AdR)
Provenienz:VVStVermögensverkehrsstelle
Träger:Flachware/Original
Umfang:1.586 Kartons
Zeitraum: 1938–1969
Ordnung:alphabetisch
numerisch
Details zur Ordnung:Der Großteil ist numerisch geordnet, einzelne Teile sind jedoch alphabetisch abgelegt.

Hilfsmittel für die Suche im Bestand (Findbehelf):


Ansprechperson(en):