Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Regierungsvorlage


Zu Gesetz: BGBl Nr. 54/1947
Materialtyp:Regierungsvorlage
Nachweis:GP V, Beilagen-Nr. 244
Dokument im Original

In der Regierungsvorlage zum 3. Rückstellungsgesetz wird als Grund dafür, warum die Beratung des 2. Rückstellungsgesetzes so lange aufgeschoben worden ist, angeführt, dass die Erwerber das Vermögen zwischen Entziehung und Verfall wirtschaftlich genutzt und verändert haben und hier erst die „Regelung der Vermögensentziehungen durch Privatrechtsakte“ (S. 4) im 3. Rückstellungsgesetz abgewartet werden musste. Auch in anderen Ländern sei Vermögen aus politischen Gründen (sie werden hier sehr weit gefasst verstanden) entzogen worden, aber die Situation in Österreich sei insofern besonders gewesen, als es sich bei Österreich nicht um ein besetztes Land und bei den Vermögensentziehungen daher nicht um Kriegsschäden im weitesten Sinne gehandelt habe. Die erste Streitfrage im Zusammenhang mit dem 3. Rückstellungsgesetz ist die, ob eine Rückstellung des (im Verkaufsverfahren entzogenen) Vermögens überhaupt erfolgen soll und dem Erwerber im Zuge der Rückstellung seine Gegenleistung auch zurückzustellen sei. Jedenfalls sei klar, dass der Eigentümer sein Vermögen „in normalen Zeiten“ (S. 5) überhaupt nicht oder unter anderen Bedingungen veräußert hätte. Der allgemeine Zwang würde aber die Lösung des Vertrags noch nicht erlauben. Man müsse dem Käufer den Kaufpreis zurückerstatten, denn er habe damit oft „seinem Mitbürger geholfen […], dem damaligen Regime zu entrinnen“ (S. 5). Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass der Verkäufer über den auf ein Sperrkonto eingezahlten Kaufpreis nicht frei verfügen konnte. Auch ein Ausgleich zwischen dem Einkommen aus dem Vermögen und den Erträgnissen des bezahlten Betrages muss gefunden werden, sowie ein Umgang mit der Tatsache, dass Vermögen sich heute oft verändert darstellt: verbessert oder (etwa durch Abnützung oder grundbücherliche Belastung) vermindert, aber auch durch Kriegseinwirkung und höhere Gewalt beschädigt oder zerstört. Auch kann es sein, dass der Ersterwerber schon weiter verkauft oder vererbt hat, man könne daher „nicht jeden Erwerber als bösgläubig, als üblen ‚Ariseur‘ ansehen“ (S. 5). Mit einer bloßen Wiederherstellung der früheren Eigentumsverhältnisse sei noch gar nichts erreicht. Deshalb solle man Rückstellungen anmelden, die Frist ist „zwecks ehester Herstellung der Rechtssicherheit“ (S. 6) kurz bemessen. Die österreichischen Rückstellungsgesetze beruhen auf der Londoner Deklaration vom 5.1.1943, in der Vermögensentziehungen als null und nichtig bezeichnet werden, auch dann wenn sie unter anscheinend legalen Formen vorgenommen worden sind. Die Staaten regeln die Rückstellung unterschiedlich, manche behalten bestimmte Vermögensentziehungen (wenn sie etwa der Bodenreform dienen) bei. Für Österreich wird abgelehnt, dass es sich an den Kosten der Rückgängigmachung der Entziehungen beteiligt, da ja die Vorteile nur dem Deutschen Reich, und nicht Österreich zugekommen seien: „Daher ist nicht daran zu denken, dass die Republik Österreich zu diesen Maßnahmen irgendwie finanziell beiträgt“ (S. 6). Das 3. Rückstellungsgesetz weicht „nur bei äußerster Notwendigkeit“ (S. 6) vom ABGB ab, den entschiedenen Kommissionen werden Billigkeitsentscheidungen ermöglicht, am „wünschenswertesten aber wäre es, dass die Beteiligten, die selbst wohl am besten die Verhältnisse kennen, sich untereinander verständigen“ (S. 6).