Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Protokoll


Zu Gesetz: BGBl Nr. 294/1958
Zu Ausschussbericht:Bericht des Finanz- und Budgetausschusses
Nachweis:GP VIII, SNr. 77
Datum:17.12.1958
Protokoll im Original

S. 3872ff. In der Debatte über die Wiedergutmachungsmaßnahmen für Religionsgemeinschaften, deren endgültige Normierung nun schon zum dritten Mal verschoben wird, beklagt Abg. Ernst Fischer (KuL), dass durch die im Gesetz festgelegten provisorischen Zuschüsse für die Kirchen Geld ausgegeben werde, während etwa für Schulen keines vorhanden sei. Die Notleidenden – er nennt Bombengeschädigte, Juden, vom Faschismus Verfolgte, Staatsangestellte, Eisenbahner, Postler (S. 3873) – würden vertröstet. Im Gesetz werde den Kirchen Wiedergutmachung angeboten nicht für das, was Hitler, sondern für das, was Josef II. ihnen angetan habe. Fischer bezeichnet den Gesetzesentwurf als eine „Ungeheuerlichkeit“ (S. 3874) und fragt sich, warum die SPÖ der ÖVP Schützenhilfe leistet. Abg. Max Neugebauer (SPÖ) bezieht sich in seiner Replik auf die gesetzliche Notwendigkeit, dem Artikel 26 des Staatsvertrages zu entsprechen, und geht auf den von Fischer angesprochenen Gegensatz zwischen Sozialismus und Klerikalismus ein. Er verweist darauf, dass auch die Kirche aus der Vergangenheit gelernt und dass auch sie Widerstandskämpfer hervorgebracht habe. Die Zeit des Terrors, der Verfolgung und des Krieges habe auch das Verhältnis von Sozialisten zu den Kirchen verändert. Neugebauer bezieht sich dann noch auf die vom Ausschuss eingebrachte Entschließung und spricht aus, dass der Ausschuss mit dem Wunsch, auch die Ansprüche anderer Religionsgemeinschaften zu prüfen, ausdrücklich die jüdische Religionsgemeinschaft vor Augen gehabt habe, „die mehr als alle anderen gelitten hat“ (S. 3878). Abg. Ludwig Weiß (ÖVP) spricht über die in der Zeit des Nationalsozialismus eingeführte Kirchensteuer. Er bezeichnet es als „Treppenwitz der Weltgeschichte“ (S. 3880), dass die Kirchenbeiträge der christlichen Religionen – die anders als in Deutschland keinen öffentlich-rechtlichen Charakter haben – nicht, die der mosaischen aber sehr wohl exekutionsfähig seien. Er drückt seine Freude über die Rede Neugebauers aus. Abg. Willfried Gredler (FPÖ) begründet die Zustimmung seiner Fraktion zum Gesetz mit dem Gleichheitsgrundsatz, weist aber zugleich darauf hin, das für viele – er nennt Bombengeschädigte, Besatzungsgeschädigte, Heimkehrer, Rückstellungsgeschädigte, Auslandsösterreicher, Heimatvertriebene und unter dem Existenzminium lebende Rentner (S. 3884) – eine Wiedergutmachung noch nicht geleistet worden sei. Dem Gesetz stimmt seine Fraktion zu, der Entschließung nicht.