Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Protokoll


Zu Gesetz: BGBl Nr. 106/1946
Zu Ausschussbericht:Bericht des Ausschusses für Vermögenssicherung
Nachweis:GP V, SNr. 14
Datum:15.05.1946
Protokoll im Original

S. 186. Berichterstatter Ernst Kolb (ÖVP) erwähnt die Anwesenheit des Staatssekretärs Franz Rauscher (SPÖ) im Ausschuss und betont, dass es bei diesem Gesetz nicht um die Wiedergutmachung gehe, welche die Republik Österreich zu leisten habe, sondern um die Wiedergutmachung an Österreich. Kolb merkt außerdem an, dass der Begriff der Arisierung während der NS-Zeit bewusst gewählt worden sei, „um zu vertuschen, daß weitaus der größere Teil alles entzogenen Vermögens nicht aus rassischen, sondern aus politischen Gründen weggenommen wurde“ (S. 186). Das vorliegende Gesetz stehe auf dem Boden der Londoner Deklaration vom 5.1.1943 und stelle die Basis für die drei kommenden Restitutionsgesetze dar. Abg. Otto Scheff (ÖVP) bekräftigt Kolbs Darstellung, dass es falsch sei, „die Frage der Wiedergutmachung lediglich vom Standpunkt der sogenannten Arisierungsfrage“ (S. 187) zu betrachten. Scheff bezeichnet das Gesetz als Fortschritt, besonders da der Umfang der Gegenstände der Wiedergutmachung im Gesetz möglichst weit gefasst ist. Bei der Umsetzung sei im Interesse der österreichischen Gesamtwirtschaft Eile geboten. Abg. Ernst Fischer (KPÖ) betrachtet das Gesetz als ersten Schritt auf dem Weg der Wiedergutmachung. Die Beteiligung von Österreichern an Arisierungen dürfe nicht vergessen werden. Auch betont er die überparteiliche „moralische Verpflichtung […], jegliche Form des schleichenden Antisemitismus zu überwinden und zu verhüten“ (S. 189), und fordert, dass bei der Durchführung der Gesetze neben bürokratischen Instanzen auch Vertreter von Geschädigten mitwirken sollen. Abg. Karl Brunner (ÖVP) kritisiert den Einfluss des Alliierten Rates in der Gesetzgebung. Weiters kritisiert er die bisher ungerechte Interpretation der Potsdamer Beschlüsse und die dadurch ermöglichte „Inanspruchnahme von österreichischen Vermögenschaften unter dem Titel 'deutsches Eigentum'“ (S. 191) und fordert eine Ausdehnung der als nichtig zu betrachtenden Vermögenschaften. Auch Abg. Alfred Migsch (SPÖ) betont, dass die Rückgabe aller Vermögenschaften, die von den Nationalsozialisten entzogen worden sind, „mit der Frage der Auslegung der Potsdamer Beschlüsse“ (S. 193) verknüpft sei. Dem Abg. Fischer sei zwar zuzustimmen, dass in der neuen österreichischen Demokratie Antisemitismus keinen Platz haben dürfe. Allgemeine Bekenntnisse abzulegen sei aber weniger zielführend, als konkrete Maßnahmen zu setzen. Zugleich sei es nach Auffassung der SPÖ falsch, rassisch verfolgte Personen genauso als Opfer des Faschismus zu behandeln wie politisch Verfolgte (S. 194). Der Gesetzesentwurf wird angenommen.