Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Protokoll


Zu Gesetz: BGBl Nr. 54/1947
Zu Ausschussbericht:Bericht des Ausschusses für Vermögenssicherung
Nachweis:GP V, SNr. 44
Datum:06.02.1947
Protokoll im Original

S. 1219ff. Der Berichterstatter Abg. Eduard Ludwig (ÖVP) sagt in einem ungewöhnlich langen Eingangsstatement, dass im Zusammenhang mit der Rückstellunggesetzgebung immer wieder von Wiedergutmachung gesprochen werde, dass aber Wiedergutmachung etwas anderes sei als Rückstellung. Mit dem 2. und dem 3. Rückstellungsgesetz werde „an die Lösung eines der allerschwierigsten Rechtsprobleme herangetreten, die Österreich als Erbe des Nazismus übernehmen musste“ (S. 1219). Es müssen die Vorwürfe zurückgewiesen werden, „die immer wieder gegen die österreichische Gesetzgebung und Verwaltung erhoben wurden, daß man die Erledigung der Wiedergutmachung und der Rückstellung in Österreich in böswilliger Weise hinziehe“ (S. 1219). Die Gesetze müssen ohne Verzögerung beschlossen werden, da sie nicht nur eine österreichische Angelegenheit, „sondern bereits Diskussionsgegenstand internationaler Erörterung geworden“ (S. 1219) sind. Ludwig referiert dann, welche Prinzipien und Haltungen den bislang in Österreich auf diesem Sektor getroffenen Maßnahmen jeweils zugrunde liegen. Das Vermögensentziehungserfassungsgesetz etwa sei vom Alliierten Rat lange nicht genehmigt worden. Als es dann 1946 beschlossen werden konnte, gab es in ihm das Wort „Wiedergutmachung“ nicht mehr. Russland fasse den Begriff des Deutschen Eigentums anders als der Nationalrat. Das Verwalter- und das Repatriierungsgesetz, beide Voraussetzungen für die Rückstellungsgesetzgebung, haben die Genehmigung des Alliierten Rates nicht gefunden: „Es zeigt sich also, daß Österreich selbst in der Behandlung der Rückstellungsfrage ständig tätig war, aber durch äußere Einwirkungen wesentlich behindert wurde“ (S. 1221). Die Vermögensanmeldungen erlauben leider – weil Fragen der Bewertung so schwer zu klären sind – keine ziffernmäßige Bewertung des Problems. Jedenfalls seien bis Jänner 1947 von 25.859 Anmeldungen 15.259 in Wien erfolgt. Ludwig hebt dann als Detailpunkte des 3. Rückstellungsgesetzes folgende hervor: Es sei eine Formulierung gewählt worden, die auch Kärntner Slowenen unter die politisch Verfolgten subsummiert, es sei die Öffentlichkeit des Verfahrens festgelegt worden, es seien Bestimmungen formuliert worden, um „dem Treiben der Auskaufsgesellschaften ein Ende zu setzen (S. 1222). Am Schluss betont Ludwig, dass man diese gesetzliche Materie „vielfach fälschlich immer und immer wieder als eine jüdische Angelegenheit betrachtet“ (S. 1222). Ein Antrag sozialistischer Abgeordneter („Wer durch besondere Taten und Maßnahmen zum Verlust der Unabhängigkeit Österreichs entscheidend beigetragen hat, hat keinen Rückstellungsanspruch nach diesem Gesetz. / Die Liste dieser Personen ist durch die Bundesregierung zu erstellen und im Bundesgesetzblatt zu verlautbaren“, S. 1223) hat im Ausschuss (und im Nationalrat als Minderheitsantrag eingebracht schließlich auch in diesem, S. 1230) keine Mehrheit gefunden. Der Berichterstatter sei von Anträgen und Meinungsäußerungen aus dem In- und Ausland geradezu „überlaufen“ worden, aber man könne nun nichts mehr ändern, weil man sonst wieder von vorne beginnen müsse und der Entwurf „das Ergebnis mühevollster Arbeit“ (S. 1223) darstellt. Abg. Otto Tschadek (SPÖ): Der Entwurf für das 3. Rückstellungsgesetz sei eine Gesetzesvorlage, „die in Form und Wirkung eine Einmaligkeit darstellt. Sie stellt den Versuch dar, wenigstens rechtlich und wirtschaftlich eine moralische, politische und wirtschaftliche Katastrophe zu liquidieren, die die Welt erbeben ließ, ja die sie fast aus den Angeln gehoben hat“ (S. 1223). In der folgenden Zusammenfassung der historischen Ereignisse stellt Tschadek den Nationalsozialismus und die Judenverfolgung als über Österreich hereinbrechende Grausamkeiten dar, die Arisierung sei durch „[r]eichsdeutsche Geschäftsleute, reichsdeutsche Krämer“ (S. 1224) erfolgt. Tschadek betont ferner, dass sieben Jahre im Wirtschaftsleben eine Lange Zeitspanne und das Problem der Rückstellung deshalb so besonders schwierig sei. Außerdem könne Österreich keine Verpflichtungen des Deutschen Reiches auf sich nehmen. Tschadek geht dann auf die Details des Gesetzes ein, unter anderem auf die Frage, was denn Freiwilligkeit bedeute, wenn die Menschen damals unter Druck gestanden sind, ihr Vermögen zu verkaufen