Materialien zum Nationalsozialismus
Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich

Protokoll


Zu Gesetz: BGBl Nr. 55/1947
Zu Ausschussbericht:Bericht und Antrag des Ausschusses für Vermögenssicherung
Nachweis:GP V, SNr. 44
Datum:06.02.1947
Protokoll im Original

S. 1230ff. Die Debatte ist voller Pathos und gerät zu einer historischen Rückschau auf die Rolle der sozialdemokratischen und der kommunistischen Partei im Widerstand gegen den Faschismus. Der Berichterstatter betont, dass das vorgelegte Gesetz dem „Geiste staatspolitischer Verantwortung“ (S. 1230) entspreche. Die christlichen Arbeiterorganisationen seien – in Abweichung vom Initiativantrag – in das Gesetz mit aufgenommen worden, weil „auch in diesen Reihen […] aufrechte Demokraten gestanden sind“ (S. 1230). Die Aufnahme von Christlich-sozialer Partei und Vaterländischer Front würde dem Sinn des Gesetzes aber widersprechen, von dieser Seite seien auch nie Rückstellungsforderungen erhoben worden. Ausdrücklich sei in dem Gesetz festgehalten, dass ein Rückgabeanspruch einem eventuellen Rückstellungsantrag vorausgeht. Hinsichtlich der Bestandsrechte darf Eigenbedarf angemeldet werden, wenn das Mietrecht mit der Zweckbestimmung des zurückgegebenen Vermögens nicht vereinbar ist (wenn also etwa ein ÖVP-Parteifunktionär in einem an das SPÖ-Parteisekretariat zurückgegebenen Haus wohnen würde). Das Rückgabegesetz gehe weiter als das Rückstellungsgesetz, weil es sich auf Vermögen bezieht, das entzogen worden ist, während der österreichische Staat noch bestanden hat, daher muss der österreichische Staat für alles einstehen. Die Wiedergutmachung der Katastrophe sei in materieller Hinsicht, aber auch in geistiger Hinsicht möglich, „wenn ein Volk die Fehler der Vergangenheit erkennt“, das Gesetz solle daher nicht „als eine lästige Formalität“ beschlossen werden (S. 1231). Für Abg. Otto Probst (SPÖ) ist es „ein großer, ein stolzer und würdiger Tag“ (S. 1232), auch wenn die Genossenschaften bzw. die Forderungen geschädigter Dienstnehmer im Gesetz noch nicht erfasst und weitere Gesetze notwendig seien. Nach einem Exkurs über das noch unzureichende OFG erklärt Probst, dass die sozialistische Partei Rechtsnachfolgerin der sozialdemokratischen Partei sei. Es folgt ein Wortwechsel zwischen sozialistischen und kommunistischen Abgeordneten über die Frage, wer nach 1934 mehr gekämpft habe. Abg. Viktor Elser (KPÖ) begrüßt das Gesetz, singt ein Loblied auf die Arbeiterbewegung und hebt die Rolle der kommunistischen Partei im Kampf gegen den Faschismus hervor. Behandlung und Verabschiedung des Gesetzes sei eine „Abrechnung mit den faschistischen Gewalthabern und Verbrechern“ (S. 1235). Er gesteht der sozialistischen Partei die Rechtsnachfolge nach der sozialdemokratischen zu, weist aber darauf hin, dass viele ehemalige Sozialisten heute bei der KPÖ seien und die Kommunisten nicht – wie in der SPÖ-Presse behauptet – „Erbschleicher“ (S. 1235) seien. Es kommt wieder zu Unruhe im Saal. Entschieden verwehrt sich Elser gegen die Auffassung des Gesetzes, dass alle Mitglieder der Freien Gewerkschaften Sozialdemokraten gewesen seien, und stellt den Antrag, das Vermögen der Gewerkschaften solle an einen „Gewerkschaftlichen Restitutionsfonds“ (S. 1237) des Gewerkschaftsbundes übertragen werden. Abg. Paul Speiser (SPÖ) betont, die Kommunistische Partei sei nicht so stark, wie sie sich darstelle. Abg. Viktor Müllner (ÖVP) plädiert nach diesem Streit der Linken dafür, „daß über dem alten Ungeist ein neuer Gedanke der Zusammenarbeit entstehe“ (S. 1242).